Trotz Katastrophen eine Provinz aufbauen
Im Jahr des Drachen
Welche Person wird nicht mehr gebraucht?
„Im Jahr des Drachen“ ist das dritte Spiel von Stefan Feld, nach „Um Ru(h)m
und Ehre“ und „Notre Dame“, das bei Alea veröffentlicht wurde. Vor allem zu
letzterem drängt sich ein Vergleich auf. Wer „Notre Dame“ kennt, neigt dazu es
als Mangelspiel zu bezeichnen. Jenen die „Im Jahr des Drachen“ schon gespielt
haben, entlockt der Gedanke an den Vorgänger nur ein mildes Lächeln.
Wem der Begriff „Mangelspiel“ nicht wirklich viel sagt, dem kann ich nur
raten „Im Jahr des Drachen“ auszuprobieren. Danach stellt sich diese Frage
sicher nicht mehr. Man könnte es auch in die Schublade der Optimierungsspiele
stecken, denn wie für das Genre üblich gilt es auch hier aus einer beschränkten
Anzahl an Zügen und Möglichkeiten, das Maximum an Siegpunkten herauszuholen. Aber
so destruktiv wie hier ging es den letzten Jahren nur in „Gloria Mundi“ zu. Dazu
aber später mehr.
Zunächst will ich den Lesern einen kurzen Überblick über Thema und
Spielablauf verschaffen. „Im Jahr des Drachen“ ist im mittelalterlichen China
angesiedelt. Die 2-5 Spieler schlupfen in die Rolle von Fürsten, die versuchen
ihre Provinz in einem turbulenten Jahr voller Ereignisse und Katastrophen
aufzubauen und Gefolgsleute zu versammeln. Das Spiel läuft über 12 Runden. In
jeder Runde darf jeder Spieler eine Aktion durchführen und eine Person in den
Palast locken, mit Ausnahme der letzten Runde. Damit ist man hoffentlich auf
das noch folgende Ereignis vorbereitet, denn dies ist meistens schlecht und
kann einigen der geschätzten Gefolgsleute gleich wieder das Leben kosten. Nur
in den ersten beiden Runden herrscht noch Ruhe und es darf gemütlich aufgebaut
werden. Am Ende jeder Runde folgt noch eine Wertung, schließlich geht es ja um
Siegpunkte.
Es gibt 7 verschiedene Aktionen, die jede Runde neu in Gruppen aufgeteilt
werden. Die Anzahl der Gruppen entspricht immer der Anzahl an Spielern. Somit
kann eine Gruppe aus 1 bis 4 Aktionen bestehen. Der erste Spieler hat noch die
freie Wahl und stellt seinen Drachen auf eine Gruppe, aus der er eine Aktion
auswählt. Die übrigen können nur Aktionen aus Gruppen ohne Drachen gratis
auswählen. Will man lieber eine Aktion aus einer Gruppe mit Drachen
durchführen, kostet das 3 Yuan, was sehr teuer ist. Wer keine sinnvolle Aktion
mehr durchführen kann oder will, darf stattdessen seinen Aktuellen Geldvorrat
auf 3 Yuan auffüllen, wohlgemerkt auffüllen und nicht dazunehmen!
Klar, dass beim Auswählen der Aktionen die Reihenfolge sehr entscheidend
ist. Diese wird durch die so genannte Personenzählleiste festgelegt. Eine jede
Person hat einen Vorteil, den sie bringt, und eine Zahl, die auf der
Personenzählstein des jeweiligen Spielers vorgerückt wird. Diese Zahl ist
abhängig vom Typ der Person. Zudem gibt es von den meisten Personentypen eine
alte und eine junge Version. Die Alte bringt einen größeren Vorteil, aber dafür
weniger Punkte für die Personenzählleiste als die Junge. Diese Gefolgsleute
holt man mit Hilfe von Personenkarten an den Hof. Dazu hat am Anfang jeder
Spieler die gleichen 11 Karten auf der Hand. 9 Karten entsprechen den 9
verschiedenen Personentypen die es gibt. Die übrigen 2 sind Joker, für die
beliebige Gefolgsleute genommen werden können. Somit muss jeder Spieler von jedem
Typ zumindest einmal einen wählen. In welcher Reihenfolge ist eine Frage des
Timings, genauso wie die Frage ob alt oder jung.
Eine genommene Person muss immer in einem eigenen Palast platziert werden.
Der Platz ist aber sehr beschränkt. Man kann zwar immer eine Person
unwiederbringlich hinauswerfen um für eine Neue Platz zu machen, da aber jeder
Gefolgsmann am Ende 2 Punkte bringt, ist es vorteilhaft rechtzeitig den Palast
auszubauen. Dies geschieht mit einer bestimmten der 7 Aktionen, nämlich „Bau“. Hat
man die richtigen Personen, in diesem Fall die Handwerker, in seiner Provinz
darf man gleich mehrere Palastteile mit einer Aktion bauen. Zudem bringt jeder
Palast jede Runde einen Siegpunkt. Aber Achtung, kommt das Ereignis „Dürre“
muss für jeden bewohnten Palast ein Reissack bezahlt werden, oder es stirbt ein
Bewohner. Unbewohnte Paläste sind langfristig aber auch keine Lösung, da diese
verfallen. Reissäcke erwirbt man ebenfalls mit einer Aktion („Ernte“). Wohnen
Bauern in den eigenen Palästen fällt der Ertrag höher aus.
Es gibt auch durchwegs positive Ereignisse wie das „Drachenfest“. Hier
bekommen die Spieler mit den meisten Raketen Siegpunkte, müssen dann aber die
Hälfte abgeben. Raketen erhält man durch die Aktion „Feuerwerk“, welche wieder
durch Gefolgsleute, nämlich die Feuerwerker, verbessert werden kann.
Auf diese oder ähnlich Weise spielen alle Aktionen, Personen und Ereignisse
zusammen und bringen mehr oder weniger Siegpunkte.
Alles in allem bietet „Im Jahr des Drachen“ eine große Anzahl an verschiedenen
Strategien, die auch in jedem Spiel an die Gegebenheiten angepasst werden
müssen, da die Reihenfolge der Ereignisse immer zufällig ist.
Wie eingangs schon erwähnt, sollten Spieler dieses Spiels eine leicht
masochistische Veranlagung mitbringen, denn man muss sich regelmäßig damit
abfinden, mühsam Aufgebautes wieder zu zerstören. Das richtige Timing, welche
Person wann nicht mehr gebraucht wird, ist ein spielentscheidender Faktor.
Geübte Aufbauspieler können es vielleicht schaffen ohne Opfer auszukommen, eine
große Herausforderung für sich in diesem Spiel, werden aber bei den Siegpunkten
jenen Spielern die erbarmungslos, aber klug, opfern hinterherlaufen, das hat
zumindest meine bisherige Erfahrung gezeigt.
Streckenweise können sich echte Frustgefühle aufbauen wenn schon wieder
dringend benötigte Gefolgsleute aus den Palästen geschmissen werden müssen.
Aber hier geht es allen Spielern gleich. Es gibt kaum eine Partie in der nicht
jeder Spieler früher oder später zum Jammern beginnt. Umso schöner dann wenn es
am Ende der Runde zur Wertung kommt und man feststellt dass man doch noch ganz
gut liegt. Jedenfalls war auch das Echo meiner bisherigen Mitspieler nach dem
Spiel durchwegs positiv. Bei den meisten kam nach einer unrund gelaufenen
Partie auch bald der Wunsch auf, eine weitere zu spielen. Allerdings würde ich
nicht mehr davon ausgehen dass die nächste besser wird. „Im Jahr des Drachen“
ist so konstruiert dass man immer irgendwo Abstriche machen muss. Natürlich
kann man aus Fehlern lernen, aber korrigiert man den einen, taucht unweigerlich
das nächste Problem an anderer Stelle auf. Hier sehe ich auch den großen
Unterschied zum Vorgänger.
Während „Notre Damr“ nach ein oder zwei Partien doch recht einfach zu
meistern war, habe ich beim Neuling nach vier oder fünf Partien noch immer kein
Konzept gefunden und ich bin mir auch nicht sicher ob ich das jemals werde.
Auch als Zweipersonenspiel funktioniert „Im Jahr des Drachen“ überraschend
gut. Obwohl man hier davon ausgehen könnte dass auch der Spieler, der in der
Personenleiste hinten ist, noch genügend Auswahl beim Wählen der Aktionen hat,
ist die Reihenfolge nicht zu vernachlässigen. Einerseits, weil überraschend oft
trotzdem alle sinnvollen Aktionen blockiert werden. Zweitens, weil im 2er von
jedem Personentyp nur eine alt ist und somit ein Wettlauf um diese beginnt.
Die angegebene Spieldauer von 90 Minuten kann von erfahrenen Runden selbst
in Vollbesetzung eingehalten werden. Mit weniger Spielern kann man etwas
weniger einrechnen, so sollte eine flotte 2er-Partie auch in 30 bis 45 Minuten
machbar sein.
Das Spielmaterial würde ich als „typisch Alea“ charakterisieren. Packt man
„Im Jahr des Drachen“ das erste Mal aus, darf man zuerst etwa 250
Kartonteilchen aus ihren Stanzbögen befreien. Zumindest für die 7
Aktionsplättchen die jede Runde neu gemischt werden müssen und sich daher recht
schnell abnützen wäre eine andere Lösung wünschenswert gewesen. Ansonsten
finden sich noch Spielkarten und Holzspielsteine als Zählmarker, zweckmäßig und
unaufregend.
Die vorherrschende Farbe ist rot. Das zieht sich von der Schachtel, über
die Regel bis zum Spielplan. Ansonsten ist das Material aber hübsch und bunt
gestaltet. Einzig bei der Farbwahl der Personentypen hätte man eventuell etwas
tiefer in den Farbtopf greifen können. Jeder Art ist eine Farbe zugeordnet die
durch einen dünnen Rand auf den Plättchen gekennzeichnet ist. Die gleichen
Farben sind auf den entsprechenden Spielkarten, ebenfalls durch einen dünnen
Rahmen, zu finden. Ich persönlich hatte damit nie Probleme, da aber 5
verschiedene Brauntöne auf den Karten zu finden sind kam es hin und wieder zu
Verwechslungen.
Die Spielanleitung ist bunt und übersichtlich, mit zahlreichen Beispielen
illustriert und lässt eigentlich keine Fragen offen. Ein klares Plus also an
dieser Stelle!
Fazit: „Im Jahr des Drachen“ würde ich all jenen empfehlen die eine
Herausforderung suchen. Die Spielmechanismen funktionieren hervorragend, die
verschiedenen Möglichkeiten ergänzen sich gut und am Ende fallen jedem viele
Sachen ein die er hätte besser machen können. All jene, die sich durch den kleinen
Frustfaktor, der dank des destruktiven Charakters des Spiels hin und wieder
auftritt, abschrecken lassen, seien gewarnt. Alle anderen erhalten ein schönes,
durchdachtes und forderndes Spiel.
Markus Wawra
Spieler: 2-5
Alter: 12+
Dauer: 90 min
Autor: Stefan Feld
Grafik: Michael Menzel / Harald Lieske
Vertrieb: Heidelberger
Preis: ca. 23 Euro
Verlag: Alea 2007
www.aleaspiele.de
Genre: Optimierungsspiel
Zielgruppe: Experten
Mechanismen: Aktion und Person wählen, Ereignis
abhandeln
Strategie: *****
Taktik: ******
Glück: *
Interaktion: ****
Kommunikation: **
Atmosphäre: ******
Kommentar
schöne, verständliche
Regeln
funktioniert auch zu zweit
gut zusammenspielende
Mechanismen
auch für geübte Spieler
fordernd
kann manchmal frustrierend
sein
Vergleichbar:
Notre Dame
Gloria Mundi
Markus Wawra:
Ein gut funktionierendes
und immer sehr herausforderndes Mangelspiel, das auch nach mehreren Partien
nichts von seinem Reiz verliert.