UNSERE REZENSION
Die Ritter der Hula-Hoop-Reifen
Artus
We are Knights of the Round Table
England, 932 A.D.: Der König blicket stumm um den runden Tisch herum, obgleich unsere Ritter hektisch hin- und herlaufen und sich um die Sessel rangeln; alle wollen nämlich so nah wie möglich zur Rechten des Königs sitzen. Doch wo ist bei einem runden Tisch rechts, wo links? Und auf welchem Stuhl sitzt denn überhaupt der König? Gut, dass Merlin das Spanferkel in der Tischmitte verzaubert hat – dessen (offenbar magnetische) Schnauze zeigt nämlich stets auf die Königskrone. Und wenn der König den Platz wechselt oder einer der drei Prinzen neuer König wird – weil er drei Reifen aufspießen konnte – dreht sich das Schwein samt Tisch auf magische Weise mit.
Diese absurd-komische Hintergrundgeschichte hätte eine passende spielerische Umsetzung des ersten Spielfilms von Monty Python sein können. Leider aber kommt hier fast alles – bis auf das Schwein als gestalterischer Mittel- und Höhepunkt – bierernst daher. Entsprechend trocken spielt sich auch die Variante für Einsteiger: Die Mitspieler verfügen über jeweils den gleichen Kartensatz, aufgeteilt in jeweils zwei Nachziehstapel. In dem einen befinden sich die Karten, mit denen die eigenen Ritter zu bewegen sind (zumeist im Uhrzeigersinn, wobei jedoch keine fixe Anzahl von Feldern vorgegeben ist, sondern aus einer Minimal- und Maximalreichweite gewählt werden darf). Im anderen Stapel verbergen sich die Karten, mit denen der König oder einer der drei Prinzen zu bewegen sind oder mit denen einem der Prinzen ein (weiterer) Reifen übergestülpt wird – die Königs- und Prinzen-Figur(en) stehen somit allen Spielern zur Verfügung. Zweck dieser Bewegungen: Auf der bekannten Kramer-Leiste gibt es sofort Plus- oder Minuspunkte für das Feld, das die jeweilige Figur verlassen hat – also nicht für das Feld, wo sie hinzieht (diese Regel fühlt sich zunächst etwas ungewöhnlich an) – bzw. wo sie stehen bleibt (bei der „Prinzen-Rolle“-Aktion). Erst sind also die Möglichkeiten der eigenen vier Handkarten für alle zur Verfügung stehenden eigenen und neutralen Figuren zu kalkulieren, bevor man den optimalen Zug gefunden hat. Danach stets längere Wartezeiten, bis auch alle Mitspieler ihre aktuellen Möglichkeiten durchgerechnet und ihren Zug gemacht haben. Vorplanen ist nämlich so gut wie gar nicht möglich; bis ich das nächste Mal dran bin, sitzen meine Ritter zwar vielleicht noch auf den selben Sesseln, der Tisch wird sich aber wohl wieder einmal gedreht haben (samt den darauf abgebildeten Speisen, ganz nach dem Motto: „we dine well here in Camelot, we eat ham and jam and spam a lot“). Wie bereits erwähnt, kann das in zwei Fällen passieren: Der König wird bewegt oder ein Prinz wird neuer König (und der alte König zum Prinzen degradiert), weil ein Mitspieler diesen mit einem dritten Reifen beglückt hat.
Zwar bietet diese Variante einen leichten und flotten Zugang zum Spiel, ob die damit offenbar angesprochenen Wenigspieler tatsächlich eine Freude haben, ist jedoch zu bezweifeln. Dafür ist die Gestaltung des Spielmaterials leider viel zu fad und brav ausgefallen; angemessener wären vielmehr Karikaturen von verlebten und versoffenen Ex-Helden gewesen, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich gebracht haben. Ein derartiges Personal würde auch viel besser zum Tisch passen: Auf diesem ist nämlich (eher zu subtil) zu erkennen, dass dessen „Ampel-Aufteilung“ in drei Bereiche – Grün für Pluspunkte, Gelb für null Punkte und Rot für Minuspunkte – den Grund darin hat, dass im roten Bereich alles bereits aufgegessen ist. Die Ritter wollen also nicht etwa deswegen möglichst nahe beim König sitzen, weil dieser so tolle Geschichten zu erzählen hat, sondern weil es dort noch etwas zu essen gibt!
Damit gibt es endlich auch eine plausible und stimmige Erklärung für die eigenwillige „drei-Reifen-ist-der-neue-König-Regel“: Wir füttern die Prinzen mit Riesen-Donuts, auf dass sie so wohlgenährt wie der alte König werden und dieser darob vor Schreck gleich so sehr abmagert, dass er seine Krone verliert. In „Wahrheit“ soll es sich bei den (Speck-)Reifen übrigens um Ringe handeln; was das aber mit der Hintergrundgeschichte zu tun haben soll, bleibt gänzlich unergründlich: Zum einen werden Ringe bekanntlich nicht um den Bauch getragen (außer vielleicht von orientalischen Tänzerinnen), zum anderen ist für viele Ringe ausschließlich die Mittelerde zuständig und nicht das mittelalterliche England.
Immerhin kommt beim „Fortgeschrittenenspiel“ mehr Spielfreude auf. Hier gibt es für die Mitspieler auch noch jeweils einen dritten Nachziehstapel mit Wertungskarten. Diese sorgen – abhängig von den aktuellen Positionen der eigenen Ritter – nicht nur für wertvolle Extrapunkte, sondern bringen uns manchmal auch in witzige Dilemma-Situationen: Etwa gleich 50 Minuspunkte „lukrieren“ oder doch versuchen, drei Ritter in den „roten Bereich“ zu ziehen bzw. dort stehen zu lassen (mit dem Nachteil einer schlechteren Ausgangsposition für die Zukunft)? Oder zwei Ritter auf dem „roten Teppich“ werten (ein eher enger Bereich auf dem Spielplan), da es sonst auf der Wertungsleiste 25 Punkte zurück heißt! Diesen Wertungskarten kann man auch nicht entkommen, da alle Mitspieler irgendwann alle ihre Karten spielen müssen. Insoweit kommt auch ein gewisser Memory-Effekt ins Spiel – welche Karten habe ich schon gespielt, welche werde ich noch nachziehen – und man sollte sich doch überlegen, bei welchem Stapel man jeweils besser nachzieht. Außerdem sind hier pro Zug stets zwei Handkarten zu kombinieren, was interessante taktische Möglichkeiten eröffnen kann. Damit verbunden dauern die Überlegungen der Mitspieler aber natürlich deutlich länger als der Flügelschlag einer afrikanischen Schwalbe, sodass man sich in der Zwischenzeit fast schon auf Gralssuche begeben möchte.
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 9 Jahren
Dauer: 60 min
Autor: Wolfgang Kramer und Michael Kiesling
Grafik: Claus Stephan und Martin Hoffmann
Titel: Artus
Preis: ca. € 20,00
Verlag: Alea / Ravensburger 2011
Genre: Lauf- und Positionierungsspiel
Zielgruppe: Familien
Version: de
Regeln: de
Text im Spiel:
Kommentar:
relativ einfache Regeln * gute Spielanleitung * unpassend „seriöse“ Grafik * zu lange Wartezeiten auf den eigenen Zug
Vergleichbar:
alle taktischen Laufspiele
Meine Bewertung: vier (4) Sterne
Kommentar des Rezensenten:
Ein kartengesteuertes, taktisches Lauf- und Positionierungsspiel mit einfachen und wenigen Regeln, dafür auch mit weniger Spielspaß (und nur drei Sternen) in der Einsteigervariante. Am besten spielt sich „Artus“ in der Variante für Fortgeschrittene und (nur) zu Zweit – als bedauerliches Manko bleibt, dass die (eigentlich aufgelegte) Chance einer ironisch-witzigen Spielgestaltung nicht verwertet worden ist.
Zufall (rosa): 2
Taktik (türkis): 2
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 11
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0