Downtown

 

Downtown

von Bernhard Weber

3 bis 6 Spieler ab 10 Jahre

Abacus Spiele 1996

60 bis 75 Minuten

 

Vor einigen Jahren erschien bei Livingstone Games ein Spiel namens "Boomtown". Die Spieler kauften dabei einerseits Grundstücke in einer Stadt, andererseits versuchten sie, die lnfrastruktur des Stadtteils zu ihren Gunsten zu beeinflusen. 1996 gewann beim "Wettbewerb für Spieleautoren des Hippodice Spieleclubs e.V." ein Spiel, welches nicht nur denselben Namen hatte, sondern auf demselben Prinzip Spekulation/ Flächenwidmung basierte. Doch damit hören sich die Gemeinsamkeiten schon auf. Davon kann sich nun jeder selbst überzeugen, denn "Boomtown 2" gelangt als "Downtown" - sehr zur Freude aller Liebhaber guter Spiele - in die Regale der Spieleläden.

 

Anfangs liegt das Städtchen - dargestellt durch einen Spielplan mit 24 Nutzungsflächen - ganz ruhig da. Die unbebauten, wildnisgrünen Flächen, teils quadratisch, teils länglich, aber jeweils mit 4 Grundstücken, warten darauf, einerseits einem bestimmten Zwecke gewidmet und andererseits von Maklern gekauft zu werden. Zu Beginn werden 6 zufällig bestimmte Flächen schon fix mit einer Flächenwidmung gekennzeichnet: Drei als neutrale Parks und je eine als Wohngebiet, Handelsgebiet und Industriezone. Dazu werden passende (quadratische oder längliche) Plättchen auf das entsprechende Feld gelegt.

 

Über die Nutzungen der restlichen 18 Flachen stimmt in der Folge der Gemeinderat ab. Der Bürgermeister (der jeweilige

Startspieler), zieht ein Planungskartchen. Er kann dabei von einem der beiden Stapel ziehen, welche die Nutzungsflächen für "Downtown-West" (I bis I2) bzw. "Downtown-Ost" (13 bis 24) beinhalten. Zeigt das Planungskärtchen eine ungerade Zahl, wird sogar ein zweites Kärtchen gezogen. Jedes Mitglied des Gemeinderat (also jeder Spieler) wählt dann geheim mittels einer Abstimmungskarte eine der drei Nutzungsarten aus. Nach dem Aufdecken der Abstimmungskarten entscheidet die einfache Mehrheit über die tatsächliche Nutzung: ein entsprechender Nutzungsrahmen wird auf die Fläche gelegt. Wieder ist die Stadt um eine Wohnsiedlung, einen Industriepark oder ein Handelszentrum reicher geworden. Der Vorgang wiederholt sich bei einem etwaigen zweiten Plättchen. Bei Stimmengleichstand entscheidet der Bürgermeister. Üblicherweise hat jeder Spieler eine Stimme, aber jeder Spieler kann einmal im gesamten Spiel den Einfluß seiner "Lobby" geltend machen, diese zählt eine Stimme mehr.

 

Schließlich werden die Spieler als Grundstücksmakler tätig. Mit einer Drehscheibe wird verdeckt die Zahl der gewünschten Nutzungsfläche eingestellt, mit einer der drei Abstimmungskarten die Anzahl der Grundstücke, die man dort erwerben will (ein bis drei). Danach wird aufgedeckt, und jeder muß den geforderten Kaufpreis entrichten, unabhängig davon, ob man alles erhält oder nicht. Vom Startspieler aus setzt nämlich jeder der Reihe nach einen Markierungsstein auf die gewünschte Fläche. Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot (mehrere Spieler wollen von derselben Fläche kaufen), kann es daher passieren, daß man nur einen Teil, im Extremfall sogar gar nichts für teures Geld erhält. Der Kaufpreis hängt einerseits von der Anzahl der gewünschten Grundstücke (progressive Preissteigerung), andererseits davon ab, ob es schon eine Nutzung hat oder noch unbebautes Land ist.

 

Daß die Spieler Grundstücke nicht zu wohltätigen Zwecken kaufen, versteht sich von selbst. Sie denken dabei - wer hatte dies gedacht? - nur an den eigenen Profit! Und hier kommt es zur Verknüpfung zwischen Stadtplanung und Spekulation. Wenn nämlich auf einer Fläche bereits ein Nutzungsrahmen liegt und auch alle vier Grundstücke einen Abnehmer gefunden haben, kommt es zur Auszahlung. Und hier zählen bereits gewidmete, waagrecht oder senkrecht angrenzende Flächen als Multiplikator.

 

Hat ein Grundstück also 3 Nachbarn, hat jedes Grundstück drauf schon einen Wert von 3. Dieser Wert kann sich noch verdoppeln, wenn die Nutzung der Fläche "sinnvoll" war. Von einer "sinnvollen Nutzung" spricht man in folgenden Fällen: Ein Industriegebiet ist sinnvoll, wenn mindestens ein Kommerzzentrum benachbart ist. Ein Handelszentrum wiederum benötigt mindestens zwei benachbarte Wohnsiedlungen. Und Wohnen darf überhaupt nicht an eine Industriezone grenzen! Hier zeigt es sich, wie gut der Stadtrat auf die Bedürfnisse der Spekulanten eingegangen ist. Bei der Auszahlung kommen auch noch Boni zum Tragen. Ist ein Spieler allein auf einer Fläche vertreten, ist der Bonus relativ hoch, teilt man sich die Fläche mit einem anderen Spieler, erhält jeder noch einen kleinen Bonus.

 

Danach wechselt der Bürgermeister, und eine neue Runde mit den 5 Phasen (Aufdecken von Planungskärtchen, Wahl der Nutzung, Kauf von Grundstücken, Wertermittlung und Auszahlung und Wechsel des Bürgermeisters) beginnt. Und das wiederholt sich so lange, bis alle Nutzungsflächen einen Rahmen erhalten haben. Wer es dann nach Ablauf dieser letzten Runde verstanden hat, die Doppelrolle Stadtplaner/Spekulant am besten für sich zu nutzen, und damit das größte Vermögen angesammelt zu haben, gewinnt.

 

"Downtown" ist komplexer als es zunächst den Anschein hat. Bei der Abstimmung der Nutzung zum Beispiel ist in erster Linie wichtig, wieviele Grundstecke man selber auf der Fläche plaziert hat, und auf welchen Nachbargrundstücken man vertreten ist. Aber viele andere Faktoren sind nebenbei noch zu beachten: Startreihenfolge, noch vorhandene Nutzungsrahmen, mögliche zukünftige Mehrbeitsbildungen der Mitspieler, etc. Das Spiel erscheint mir ziemlieh ausgereift und vielschichtig, und schließt damit an eine Abacus-Tradition (Pony-Expreß, Airlines) an.

 

Aber Vorsicht! Der Glücksfaktor ist höher, als man meinen könnte. Einerseits bringt das zufällige Ziehen der Plättchen mit sich, daß einige Flächen mehr, andere weniger oder gar keine Nachbarn haben. Glücklich also derjenige, der sich früh Grundstücke auf einer leeren Fläche gesichert hat, und dann händereibend zusieht, wie der Wert mit jedem gezogenen Nachbarn steigt. Andererseits ist auch der Kauf von mehreren Grundstücken meiner Meinung nach reine Glückssache! Da kann man noch so probieren, die abwegigste Nutzungsfläche auf seiner Drehscheibe einzustellen, wenn andere Mitspieler dasselbe vorhatten, kann man ganz schön kräftig draufzahlen. Was bei "Hol's der Geier" recht lustig ist, kann bei einem längeren, von überwiegend taktischen Überlegungen geprägtes Spiel wie "Downtown" schnell frustrieren.

 

Uberhaupt sollte sich eine Spielrunde vorher ausmachen, ob vor den Abstimmungen gesprochen werden darf oder nicht. Da immer fast jeder betroffen ist, sind Diskussionen fast vorprogrammiart, was ich aber keinesfalls als einen Nachteil empfinde.

 

Noch ein Wort zur Grafik: Sie ist sicherlich so gewählt worden, um größtmögliche Übersichtlichkeit zu erlauben. Ich finde trotzdem, daß Doris Matthäus schon weitaus schönere Spiele geschaffen hat.

 

Im Großen und Ganzen ist "Downtown" eine der interessanteren Neuerscheinungen auf dem Spielemarkt und verdient, wenn man den Glücksfaktor in Kauf nimmt, das Prädikat "sehr gut".

 

Meine Wertung:

Downtown AA W T I UU 4 - S (3 - 6) h